Patagonien gefällt …

Nach drei Tagen bei Adela und Helmut geht es weiter von Cunco nach Caburgua. Es ist wolkig, 15 Grad, die Sonne blinzelt hin und wieder durch, aber es regnet zumindest nicht mehr, man wird bescheiden. Wir fahren jetzt in den kleinen Süden, vielleicht ist hier ja der Name Programm! Caburgua liegt am gleichnamigen See, ein chilenisches Touristenzentrum, die Autos schieben sich am See entlang zu den Parkplätzen. Wir finden unser Landhaus San Sebastian, ein parkähnliches Anwesen mit einem kleinen Teich, Hühnern und Enten, wunderschön. Es gehört einem deutschen Ehepaar, Gabriela und Andreas Barth, hat aber nichts mit unseren vorhergehenden ‚deutschen‘ Idyllen zu tun. Es wird professionell geführt, die Hausherrin kocht tatsächlich fantastisch, keine ‚altdeutsche‘ Küche und man hat die Wahl der Qual. Hier wird nicht gegessen was auf den Tisch kommt, sondern wozu man sich entschieden hat … Wir genießen die Atmosphäre in dem Kaminzimmer, leider nur für eine Nacht, hier hätten wir gerne einen Tag mehr gehabt statt der drei in der vorhergehenden Unterkunft, schade!

Wir wachen bei Sonnenschein auf und schauen auf den schneebedeckten Vulkan Villarica. Nach dem Frühstück weiter über die Ferienorte der Chilenen Pucon und Villarica, hier ist mächtig was los. Pucon ist ein Mix aus Kitzbühel und deutschem Bauernhaus, es hat um die 14000 Einwohner, in der Saison vermutlich das zehnfache, Politiker, Fernsehstars und ein junges internationales Sportklientel treten sich hier auf die Füße, also nichts wie weiter, raus aus den Bergen, Richtung Pazifik, nach Mehuin. Dieser Ort, das ganze Gegenteil, ein kleines Strassendorf direkt am Wasser, ein kilometerlanger schwarzer Strand, eine Brandung, wie man sie vom Pazifik kennt und es ist nichts los, eine eher verschlafene Stimmung. Unser Hotel ‚Regenbogen del Mar‘ liegt direkt am Wasser, der Eigentümer ein Chilene, der sieben Jahre in Schwäbisch-Hall gelebt hat, nach dem Motto: auf diese Steine kann man bauen. Wir machen noch einen Abstecher ins nächste Fischerdorf Queule, entlang der Klippen hoch über dem Pazifik. Dieser Ort hat auch schon bessere Zeiten gesehen, die mattbunten Holzhäuser vom häufigen Regen und Wind schief gezogen, die Hafenanlage ziemlich heruntergekommen und verlassen. Es gibt noch Fischerboote, kleine einfache Restaurants direkt am Hafen, die vor der Eingangstür ihren Fisch trocknen.

Von hier aus machen wir am nächsten Tag einen Abstecher nach Valdivia, eine Stadt mit spürbar deutschem Einschlag. Heinrich lässt sich auf der Plaza seine verstaubten Schuhe putzen und zahlt den doppelten Preis vor Begeisterung, umgerechnet 1,50 Euro, sie sehen aus wie neu und kommen in den Schuhbeutel, bis Hamburg werden sie nun nicht mehr rausgeholt! Um die Ecke gibt es ein sehr schönes Café, ‚Entrelagos‘, endlich mal wieder Kaffeehaus-Kultur, die es so in Chile leider nicht gibt. Noch ein Ausflug auf die vorgelagerte Halbinsel bis zum Küstenort Niebla, hier liegen die Badestrände der Valdivianos, bei 15 Grad und Nieselregen auch nicht besonders einladend.

Nach zwei grauen Tagen fahren wir im Regen los, wieder Richtung Anden auf der Panamericana Norte und kommen bei Regen in der Reserva Biológica Huilo Huilo an, ein privater Naturpark am Füße des Vulkan Choshuenco, gegründet 1999 von dem Holzbaron Victor Petermann. Unser Hotel ‚Nothofagus‘ ist überwältigend, ein Baumhaus in noch nie gesehener Dimension, ein nach oben zunehmender Rundbau über Acht, oder sind es neun?, Etagen, wobei innen keine Treppen nach oben führen, sondern eine schräge Ebene, wie im Guggenheim-Museum New York. Von innen, wie ein ausgehöhlter riesiger Baumstamm, alles aus Holz oder mit Holz verkleidet. Hier lässt es sich bei jedem Wetter aushalten, wunderschön.

Am nächsten Tag kommen die ersten Fetzen blauen Himmels durch und wir machen einen kleinen Rundgang durchs Gelände, von den insgesamt 250 km(!) Wanderpfaden begehen wir vielleicht 7 km. Es gibt ein Mapuche-Museum, mit historischen Fundstücken und Fotografien, der Bau wieder sehr ungewöhnlich, ein kegelförmiger Stahlbau mit Lavasteinen belegt. Wir kommen an einem Wildschwein- und Rotwild-Gehege vorbei, sehr großzügig über Holzstege zu begehen. Eine Seilbahn, über eine Strecke von 880 m, halb fertiggestellt, Herrn Petermann ist das Geld ausgegangen, erzählt man uns.

Noch ein kleiner Abstecher zum Hafen Puerto Fuy, um die Abfahrt der Fähre zu überprüfen, die uns am nächsten Morgen über den Lago Pirihueico bringen soll, von dort geht es dann weiter zum Paso Huahum, dem chilenisch/argentinischen Grenzposten, es geht zurück nach Argentinien.

Am nächsten Tag heißt es um 5.00 h aufstehen, im Morgengrauen zum Hafen, die Fähre geht um 8.00 h. Sanfte Überfahrt, die steilen Ufer mit Tannen bedeckt, im Hintergrund verschwinden die Vulkane Lipinza und Huirahueye. Wieder an Land, kommen wir nach 12 km zum Grenzposten, wir sind gespannt, was uns diesmal erwartet, wider erwarten geht alles recht zügig. Der argentinische Zoll starrt sehr lange mit gerunzelter Stirn auf unser erstes Stempelwirrwarr, dass wir schon befürchten, doch etwas falsch gemacht zu haben, doch dann kommt der erlösende neue Stempel und wir werden durchgewunken.

Bienvenido a Argentina, wir freuen uns. Die Sonne scheint, wir fahren entspannt über eine Schotterpiste oberhalb des Lago Lacar durch Zypressen- und Myrtenwälder nach San Martin de los Andes, dann weiter zum Lago Meliquina, zur Estancia St. Lucia, direkt am See gelegen, traumhaft. Der Eigentümer ist ein guter Freund meiner Schwester Annegret und über diesen Kontakt war es möglich hier zwei Tage zu verbringen. Nochmals vielen Dank Rüdiger, es war fantastisch, wir haben es sehr genossen. Am Lago gibt es diverse Cabañas und kleine Restaurants, er ist nicht sonderlich überlaufen, trotz Ferienzeit, eine sehr friedliche Atmosphäre. Thomas, der österreichische Verwalter vor Ort, macht mit uns am Abend eine Rundfahrt über einen Teil der Estancia, deren Gesamtgelände 12000 ha beträgt und als reine Forstwirtschaft geführt wird.

Abschied im Sonnenschein und über Schotterpisten über den Pass nach Bariloche, hier sind wir mit unserem Autovermieter verabredet, das Auto muss in die Inspektion, d.h. Wir haben 2 Std. Zeit durch Bariloche zu bummeln und uns zu erinnern, wie es hier vor zwei Monaten war. Dann geht es weiter über El Bolsón nach Cholila, unserem heutigen Ziel.

El Bolson, früher Hippiedorf, heute immerhin noch ein Ort mit Musik und vielen Ständen mit alternativem Kunsthandwerk, Ibiza lässt grüßen. Cholila, ein verschlafenes Nest mit Vergangenheit: hier sollen Butch Cassidy und Sundance Kid Zuflucht gefunden haben:

„Als verfolgte Spitzenkunden der Detektei Pinkerton landeten die Gangster ihren letzten Coup in Form eines Kassensturzes bei der First National Bank von Winnemucca, Nevada/USA. Beim Direktor der Kreditanstalt bedankten sie sich nach dem Überfall mit einem Gruppenfoto für die fette Beute. Eigentlich hatten sie sich nur das Fahrgeld für eine Schiffsreise nach Buenos Aires verdienen wollen, aber nun reichte es sogar zum Kauf einer hübschen Latifundie in Patagonien. In Cholila eröffneten die Gringos einen Krämerladen und übten an der Theke soziale Gerechtigkeit. Ihre spendablen Gesten gegenüber dem Landvolk behielten sie auch noch bei, als ihre Ertragskraft schwächer und die Versuchung zu gewaltsamer Refinanzierung größer wurde. Nach einem Bankraub in Rio Gallegos nahm ihr Ruf Robin-Hood-artige Züge an. Niemand hat sich je über die kriminelle ‚ménage a trois‘ beklagt, in der, bei Überfällen der verkleidete ‚dritte Mann‘, Etta, eine Frau, war. … Spätere Zeugen wollen die von der Polizei abgetrennten Köpfe der Banditen in Argentinien gesehen haben. Andere schwören darauf, die Verwandlungskünstler hätten Ersatzleichen besorgt, um höchstamtlich zu sterben und an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Noch nach 1920 behaupteten Beobachter, Etta, Butch oder Sundance Kid in Alaska, Bolivien oder Mexiko bzw. in jenem Wilden Westen wiedergesehen zu haben, wo sie herkamen. Doch wer kennt die Wahrheit?“ (Dumont Reise-Handbuch Argentinein)

Unsere Unterkunft jedenfalls ist die Hosteria Tres Trebol, am Lago Pellegrini/Los Mosquitos, wobei hier der zweite Name Programm ist, die Nacht bei fest verschlossenen Fenstern und Türen verbracht. Marcos, der Chef, ist englisch/deutscher Abstammung und hier kommen wieder Erinnerungen aus unseren anderen ‚halb-deutschen Idyllen‘ hoch: Abendessen im Wohnzimmer, beginnend mit gefüllter Tomate (Reis/Thunfisch aus der Dose/Mayonnaise), anschließend geschmortes Huhn mit Reis und als Nachtisch frische Himbeeren mit Vanillecreme. Begleitet wird das Essen von einem Cabernet-Sauvignon -haben wir selber ausgesucht- dazu irische Musik, geht doch!

Am nächsten Morgen blauer Himmel, Sonne und wir fahren zum Lago Cholila, 15 km Schotterpiste entlang eines Hochmoores zu einem Campingplatz, wunderschön gelegen, direkt am Ufer, ohne Gäste. Über den See ein Blick auf die schneebedeckten Andenkordilleren und als Highlight liegt vor uns eine kleine Hosteria, wie aus dem Bilderbuch. Ooh, wie gerne wäre ich hier gewesen, neun Zimmer, großer Garten, wunderschöne Aufenthaltsräume mit Kamin und eine Speisekarte, aus der man wählen kann! DZ 70 US$ incl. Frühstück, unser Geheimtipp! Wir genießen die Stunden am See, die Ruhe, hin und wieder tuckert das private Fischerboot vorbei, so schön!

Zurück in unserer Unterkunft, wollen wir dem Leser auch dieses Abendessen nicht vorenthalten: Möhrensalat mit einer Scheibe Kochschinken und zwei gekochten Eihälften, gefüllt mit püriertem Eigelb, Hauptspeise zwei Scheiben Rinderbraten mit Kartoffelscheiben in Sahnesauce, zum Dessert gratinierte Ananasscheiben mit roter Marmelade und Sahne! Back to the sixties, nur der Cabernet-Sauvignon von Newen ist von 2012, sehr lecker.

Bei Sonnenschein geht es weiter nach Süden und dort wieder über die Grenze nach Chile, es bleibt also spannend. Auf dem Weg liegt der Parque Nacional Los Alerces, der seinen Namen den ältesten Bäumen der Welt zu verdanken hat, den Alercen, eine endemische Zypressenart, der Methusalem unter ihnen soll 2500 Jahre alt sein, die fast doppelt so alten, seit fast 4000 Jahren am Südufer stehenden Alercen dürfen nicht mehr von Touristen besucht werden. Direkt am Lago das Hotel gleichen Namens in wunderschöner Lage mit großem Park und Blick auf den See, die Preise absolut moderat, DZ 100 US$ incl. Frühstück, auch eine schöne Alternative.

Im letzten Dorf vor der Grenze, in Trevelin, wollen wir dann nochmal Tanken bevor es nach Chile geht, aber wie so oft, es ist kein Benzin da, wir fahren unverrichteter Dinge weiter. An der Grenze ist nicht viel los, die Personenabfertigung geht zügig, nur mit unserem Mietwagen tut sich der argentinische Zoll wieder etwas schwer, auch hier wird über die Stempelorgie bei der ersten Einreise gebrütet, ein älterer Kollege wird hinzugezogen, Aktenordner mit Anordnungen hervorgekramt, weil Argentinien ein Importverbot für alles angeordnet hat, ist man bei PkWs besonders pingelig. Sie wollen wissen über welche Grenzstation wir wieder nach Argentinien eingereist sind, ich spreche immer von Puerto Fuy, kennt keiner, ich hole die Karte und zeige den Ort, natürlich ist das falsch, Puerto Fuy ist Chile und unser Grenzübergang heisst Huahum in Argentinien! Endlich, endlich ist alles geklärt, oder vielleicht auch nicht, jedenfalls bekommen wir unseren Zollstempel und fahren erleichtert weiter. Ich hätte nie geglaubt, wir glücklich mich Stempel machen können. Erschöpft und sehr erleichtert kommen wir in Futaleufú in der Hosteria Barranco an, sehr schöne Unterkunft im rustikalen Blockhaus-Stil, sehr authentisch, schönes Zimmer im ersten Stock und ein kleiner Swimmingpool im Garten, super! Darauf ein Bier!

Gleich am nächsten Tag geht es weiter, von Futaleufú bis Villa Santa Lucia fahren wir durch eine malerische alpine Landschaft mit kleinen Wasserläufen, immer wieder Einzelgehöfte, braun-weiße Kühe am Wegesrand, Idylle pur. Bei Villa Santa Lucia beginnt die Carretera Austral und ab da wird es ziemlich katastrophal, denn leider, leider wird diese, als so außerordentlich malerisch beschriebene Strecke z.Zt. ausgebaut, d.h. auf 60 km Strassenbauarbeiten, nicht abschnittsweise, nein, auf ganzer Strecke schottern wir über eine Geröllpiste, wie es ihresgleichen bisher nicht gehabt hat und Heinrich hat inzwischen wirklich ein Schotter-Diplom! Und nun rächt sich, dass wir nicht mehr tanken konnten, denn die nächste Tankstelle gibt es erst wieder in La Junta, unserem Ziel. Die Benzinanzeige sinkt, der Stresspegel steigt, wir verfluchen die Piste und den Straßenbau in Chile, Heinrich sieht sich schon 10 km vor La Junta in der Hitze zum Ort trampen, verschwunden in einer Staubwolke und ich mit dem Wagen am Straßenrand, allein! Wir schließen Wetten ab, ob wir es schaffen werden …, anscheinend hat unser Wagen alle Reserven mobilisiert, er wollte uns nicht enttäuschen, mit den letzten Tropfen erreichen wir La Junta und die Tankstelle, wir tanken 50,3 ltr., eigentlich fasst der Tank maximal 50 ltr.! Nach dieser Erfahrung würde man sich natürlich sofort einen Reservekanister zulegen, aber die sind wegen Feuergefahr in Argentinien verboten. Unsere Lodge Espacio y Tiempo entlohnt uns für alles, herrlich. Am nächsten Tag steht ein Ausflug zum gletschermilchgrünen Lago Rosselet an, eine wunderschöne ursprüngliche Landschaft. Vorbei an dunkelroten Fuchsienhecken, Riesenfarnen und den dicken Bambusbüscheln, immer mit Blick auf die schneebedeckten Berge, faszinierend.

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